Zu diesem Thema habe ich in der Vereinszeitschrift des Pinscher und Schnauzer Klubs Heft 2/2015 einen interessanten Beitrag des Tierarztes Ralph Rückert gefunden, der nachstehend in Auszügen wieder gegeben werden soll.

Die bisherige Praxis vieler Tierärzte bestand und besteht z.T. noch heute darin, alles zu kastrieren, was kastrationsfähig ist. Ziel dieser Aktionen soll die Vorbeugung vor bestimmten Erkrankungen, die Korrektur verhaltensmedizinischer Probleme, die Erleichterung der Haltung für den Besitzer und bei Hunden aus dem Auslandstierschutz die Vermeidung der Nutzung des Hundes für Zuchtzwecke. Alle Beteiligten, dem einzelnen Hund, aber auch der Spezies Hund als solche, damit etwas Gutes zu tun. Dies wird nun durch eine Vielzahl von Studien ernsthaft in Frage gestellt.

Viel verbreitet sind die Kenntnisse über die Vorteile einer Kastration, weniger die über die Nachteile.

Zu den Vorteilen zählen:

-        Keine Läufigkeit mehr

-        Verringerung des Risikos von Brustkrebs

-        Verhinderung von Eierstockskrebs und Gebärmuttervereiterung

-        Verringerung des Risikos von Hoden- und Prostatakrebs und gutartiger Prostatavergrößerungen

-        Stabilisierung der Psyche durch Vermeidung hormoneller Schwankungen

Die Nachteile sind in den meisten Fällen von den Tierärzten zwar benannt, aber vom Besitzer über die Zeit wieder vergessen worden. Die Nachteile sind i.d.R.:

-        Gelegentliche Harninkontinenz

-        Fellveränderungen (Baby- oder Wolfsfellbildung) bei langhaarigen Rassen

-        Fettleibigkeit infolge verringerten Kalorienbedarfs

-        U.U. Schilddrüsenunterfunktion

Da viele Tierärzte bisher die Ansicht vertreten haben, daß die Vorteile die Nachteile der Kastration überwiegen wurde eher zu- als abgeraten, wenn ein Besitzer sich für diesen Eingriff entschieden haben sollte.

Was nun ist das Problem der Kastration? Es ist der Krebs. Dessen Risiko kann zwar hinsichtlich bestimmter Krebsarten verringert werden, doch gibt es Krebsarten, deren Entstehung durch die Kastration erst gefördert wird. Wie Rückert meint, gibt es hinreichend Studien, die belegen, daß die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Krebs nach einer Kastration erheblich höher ist, als ohne Kastration. Zu den hiervon betroffenen Krebsarten zählen u.a. Lymphknoten-, Knochen- und Milzkrebs. Einige Wissenschaftliche sind sogar zu dem Ergebnis gekommen, daß bei Rüden die verringerte Gefahr von Prostatakrebs überhaupt nicht gegeben ist. Man befürchtet bei dieser Krebsart leider sogar das Gegenteil von dem bisher Behaupteten.

Dieses erhöhte Krebsrisiko wird darin vermutet, daß infolge der Kastration und dem Wegfall der Geschlechtshormone eine Beeinträchtigung des Immunsystems einhergehe. Diese Vermutung wird damit gestützt, daß bei kastrierten Hunden ein erhöhtes Infektionsrisiko beobachtet werden konnte.

Rückert weist auf die besonders hohe Wahrscheinlichkeit hin, daß gerade bei älteren Hunden nicht selten Milztunore auftreten, die extrem gefährlich und bösartig sind. Mein eigener Hund Tim, der in Spanien von der dortigen Tierschutzorganisation aus gut gemeinten Gründen kastriert wurde, bevor er nach Deutschland kam, hatte einen solchen Tumor. Er ist binnen kurzer Zeit riesengroß geworden und Tim ist daran im Alter von 11 ½ Jahren verstorben. Auch der Namensgeber dieser Website ist kastriert aus Zypern gekommen. Wir passen jetzt sehr genau auf und tasten ihn in regelmäßigen Abständen in der Hoffnung ab, rechtzeitig Veränderungen zu erkennen.

Neben den o.g. Krebsrisiken soll es laut Rückert auch orthopädische Probleme geben, die mit einer Kastration in Zusammenhang gebracht werden können. So sollen Kreuzbandrisse bei kastrierten Hunden erheblich häufiger auftreten als bei unkastrierten Tieren. Selbst Hüftgelenksarthrosen sollen früher und ausgeprägter festgestellt worden sind, wobei hierzu noch keine absolut verläßlichen Ergebnisse vorliegen. Die Schilddrüsenunterfunktion hingegen ist als Folge einer Kastration nachgewiesen.

Auch im Auslandstierschutz sollte man sich Gedanken machen, ob das systematische Kastrieren zur Vorbeugung der Zuchtverwendung vermittelter Hunde angesichts der Gefahren noch zeitgemäß ist. Man sollte sich den Grundsatz der Medizin immer wieder vor Augen führen, der da lautet: Nihil nocere! – Niemals schaden!